Presseerklärung des BBNS zum SBG – Entwurf

12. September 2024 12:00

Wonnenla aber zu welchem Preis für unsere Umweit? Unsere Stadt, unsere Entscheidung! Stoppt das SBG!«

Schneller-Bauen-Gesetz (SGB):
Demontage von Klima- und Artenschutz, von demokratischer Mitbestimmung und Partizipation

Die Vereinfachung und Beschleunigung des Wohnungsneubaus sind das geheuchelte Ziel des Schneller-Bauen-Gesetzes (SBG – E), dessen Entwurf der Senat dem Abgeordnetenhaus zur Beschlussfassung vorgelegt hat. Der Gesetzentwurf sieht Änderungen der Berliner Bauordnung, des Berliner Naturschutzgesetzes, der Berliner Baumschutzverordnung und anderer Landesgesetze vor. Dazu erklärt das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung (BBNS) anlässlich der ersten Lesung des Schneller-Bauen-Gesetz am 12. September 2024:

Kurz vor Beginn der Baumfällsaison am 1. Oktober fürchten wieder Tausende Berlinerinnen und Berliner um den Verlust von Bäumen, Sträuchern und Grünflächen als Gemeingut unserer Stadt und um ihre Lebensqualität.

Denn statt angesichts der ökologischen, sozialen und Klimakrise eine Stadtentwicklungspolitik zu forcieren, die auf lebenswerte Kieze für ihre Bewohnerinnen und Bewohner setzt, droht bei einer Realisierung des Gesetzespakets deren Verschärfung. Wichtige Vorgaben zum Arten- und Klimaschutz sowie bezirkliche Entscheidungskompetenzen sollen einer engsichtig auf Wohnungsbauzielzahlen fokussierten und sich dem Druck der Baulobby beugenden Politik geopfert und die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger geschwächt werden.

1. Schwächung von Arten- und Klimaschutz

Die Änderungen zielen überwiegend darauf ab, die Schutzstandards für Natur, Artenvielfalt und Klima sowie Baudenkmale zu mindern – zugunsten eines raschen Wachstums der Wohnungsanzahl. Wohnqualität und Gesundheit der Bewohner, Natur- und Artenschutz, die Anpassung der Stadt an den Klimawandel sowie die Baukultur müssen jedoch als zumindest gleichrangige Bausteine für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung entwickelt werden.

2. Zentralisierung zulasten der Bezirke

Die Planung der systematischen Verlagerung von Zuständigkeiten in Planungs- und Baugenehmigungsverfahren von der Bezirks- auf die Senatsebene und der erheblichen Ausweitung der Eingriffsrechte der Senatsverwaltungen zu Lasten der Bezirksbehörden zeugt vom egozentrischen Misstrauen in die wertvolle Expertise der lokalen Stadtplanerinnen und Stadtplaner. Vor Ort lässt sich die Zukunft der Stadt sicher angemessener planen als von einem gekühlten Büro am Fehrbelliner Platz aus!

3. Demokratieabbau und Abbau der Bürgerbeteiligung

Durch die Zentralisierung von Entscheidungskompetenzen zu Lasten der Organe der bezirklichen Selbstverwaltung werden die Gestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Bezirksverordnetenversammlungen beeinträchtigt. Das bedeutet zugleich eine Minderung der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten für uns Bürgerinnen und Bürger. Z. B. entfiele der Weg über den Einwohnerantrag in den Bezirksverordnetenversammlungen.

Außerdem würde durch die für die Naturschutz- und Umweltverbände geplanten Fristverkürzungen und verringerten Eingriffsmöglichkeiten, z. B. über die Umweltverträglichkeitsprüfung, auch hier die Beteiligungsmöglichkeit für uns Bürgerinnen und Bürger beschnitten.

Statt weiter Widerspruch und alternative Positionen aus der Bürgerschaft als Obstruktion seiner „richtigen“ Politik zu bewerten und Partizipation zu einer Akzeptanzinszenierung verkümmern zu lassen, muss der Senat eine echte, ernst gemeinte und ergebnisoffene Beteiligung der Menschen zulassen, um tragbare und zukunftsfähige Lösungen zu erreichen.

Tausende verprellte und verdrängte Menschen und eine immer grauer und heißer werdende Stadt als „Kollateralschaden“ hinzunehmen, ist nicht mehr tragbar! Ein zu Kompromissen unfähiger, demokratische Prozesse ignorierender, Menschen gegeneinander ausspielender Senator für Stadtentwicklung ist nicht länger tragbar!

Im Interesse der Berlinerinnen und Berliner an einer lebenswerten Stadt ist eine politische ökologisch-soziale Bauwende seit Langem überfällig. Die Initiativen im BBNS fordern deswegen:

    1. den Rücktritt von Bauen-Bauen-Bauen-Senator Christian Gaebler,
    2. die Ablehnung des Schneller-Bauen-Gesetzes,
    3. die Stärkung der bezirklichen Gremien,
    4. die Einführung von ergebnisoffener bürgerschaftlicher Partizipation und Mitbestimmung und
    5. ein Fällmoratorium für die kommende Fällperiode!

Das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung (BBNS) vereint derzeit 41 Bürgerinitiativen, die sich in ganz Berlin mit Nachverdichtung und Versiegelung konfrontiert sehen und für eine nachhaltige Stadtentwicklung eintreten.

Zitate:

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„Wer die Bürger*innenbeteiligung als Bauhindernis ansieht und deren Einschränkung anstrebt, betreibt nicht nur Demokratiezerstörung, sondern beraubt auch das Gemeinwesen bei der Lösung seiner schwierigen Probleme der Wirksamkeit der Schwarmintelligenz und der Kreativität ihrer Bürgerinnen und Bürger.“
Andrea Geldner, Anwohnerinitiative Ernst-Thälmann-Park
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„Wenn beim Baum- und Waldschutz angesichts der akuten Klimakrise nicht lokal und zeitlich ein unmittelbarer Ausgleich der zerstörten ökologischen Leistung verlangt ist, wird „Ausgleich“ zur Farce. Ein als Ersatz neugepflanzter Baum brauch viele Jahrzehnte, um die ökologische Leistungskraft eines gefällten alten Baumes zu erreichen.
Katja Brauer, Bürgerinitiative Plänterwald
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„Hier geht es nicht mehr um die Unzufriedenheit Einzelner wegen einer neuen Baustelle in der Stadt. Hier werden konsequent die Bedürfnisse der Berlinerinnen und Berliner ignoriert, die bezahlbaren Wohnraum in einer weiterhin lebenswerten Stadt brauchen.
Britta Krehl, Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow
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„Ein Etikettenschwindel! Das SBG beschleunigt nicht das Bauen, sondern bestenfalls Genehmigungsverfahren. Der Preis ist hoch: Entmachtung der kommunalen Planungshoheit auf Bezirksebene, massive Schwächung der Bürgerbeteiligung und allgemein anerkannter Schutzziele (Natur-, Arten-, Baum-, Denkmalschutz). Die Probleme des Wohnungsmarkts liegen aber doch ganz woanders: Bodenspekulation, Baupreise, Zinsen, Leerstand …
Philipp Dittrich, Bürgerinitiative Jahnsportpark
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„Wer den Denkmalschutz demontieren will, weil er angeblich schnelleres Bauen behindere, der will der Stadt ihr Gesicht und ihre Eigenart nehmen.“
Erik Esche, Bürgerinitiative Grüne Westendallee e.V.
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„Allen Dingen voran möchte ich einfach nicht, dass Bäume gefällt werden, weil es ein absolutes Geschenk ist, dass man zwischen Beton und Stein noch so eine kleine Oase finden kann …“
Zisan Sevgi Milanovic, Bürger:innenInitiative 10243 Baum-&Artenschutz
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„In Hellersdorf wurden zwei grüne Innenhöfe zerstört und mit Betonburgen überbaut. Die Zimmertemperaturen sind nun drei Grad heißer als vorher. Wer schützt die Bestandsmieter vor dem Klimawandel?“
Axel Matthies, Grüne Höfe Hellersdorf Süd
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Wir setzen uns seit 3 Jahren gegen die Bebauung unseres kleinen grünen Innenhofs ein, da er eine wichtige bioklimatische und soziale Funktion erfüllt und Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere ist, gerade vor dem Hintergrund der Klimanotlage, des Klimawandels und des Artensterbens. Die soziale Infrastruktur ist jetzt schon überfordert. Warum werden nicht vorrangig bereits versiegelte Flächen bebaut und die seit Jahrzehnten leerstehenden Bauruinen beseitigt?“
Regine Mahnke, Mieterinitiative Joachimsthaler Carree
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Der Artenschutz wird ad absurdum geführt, wenn erforderliche Ausgleichsmaßnahmen nicht zwingend unmittelbar dort auszuführen sind, wo der schädigende Eingriff erfolgen soll. Die finanzielle Abgeltung und die Verlagerung in weit entfernte Flächen, ist kein Ausgleich für den Eingriff, sondern Ablasshandel zu Lasten des Arten- und Klimaschutzes. Politiker, die den Klima- und Artenschutz als Bauhindernis betrachtet und schwächen wollen, um schneller und mehr zu bauen, ignorieren die drängenden Herausforderungen einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik. “
Michaela Heiler, Zukunft Wittenau (Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik)
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> Presseerklärung des Berliner Bündnisses Nachhaltige Stadtentwicklung zum SBG-E (PDF)
> Stellungnahme BBNS zum Schneller-Bauen-Gesetz

> Petition vom NABU: Bauen um jeden Preis – Nein!
> Umweltverbände kritisieren „Schneller-Bauen-Gesetz“

 

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