GNADENFRIST FÜR DIE BÄUME – Unternehmer mit Zivilcourage, der Berufsethos vor Profit stellt
Im Kampf gegen die klimafeindliche Nachverdichtung in der Pintschstraße 10 im Friedrichshain gibt es eine überraschende Wende. Am gestrigen Dienstag sollten eigentlich die Fällungen der sieben 50 Jahre alten Pappeln beginnen. Die Haltverbotsschilder standen, die Plakate und Bilder der Baumpaten waren entfernt worden, das Absperrband gespannt. Mit einer kleinen Trauerfeier hatten die AnwohnerInnen am Abend vorher Abschied von ihrer Oase genommen und noch eine kleine Igelfamilie umgesiedelt, die sich in den Pappelblättern ein Winterquartier gesucht hatten. Kinder hatten die kleinen Pappeln ausgegraben, um ein neues Zuhause für sie zu suchen.
Früh ab 7 Uhr hatten sich viele AnwohnerInnen und Politiker wie Vasili Franco (Grüne) und Pascal Meiser (Linke) versammelt, um sich vor die Baumriesen zu stellen. Gegen acht kam Orhan Kaya, Geschäftsführer der E&K Garten- & Landschaftsbau GmbH, der den Auftrag hatte, die Bäume zu fällen. Er schaute auf die Bäume, schüttelte den Kopf – Schwarzpappeln, kerngesund. „Ich bin Baumpfleger, die soll ich fällen?“, fragte er, hörte sich den massiven Protest der AnwohnerInnen an, telefonierte und verschwand. In einer Email erklärte ihm die Initiative Grünes Friedrichshain, dass diese Bäume gegen den Willen von mehr als 3000 BerlinerInnen, des Senats und zahlreicher Politiker gefällt werden sollen. Abends kam von seiner Firma die folgende Email:
Sehr geehrtes Grünes Friedrichshain, erstmal vielen Dank für Ihre E-Mail, die sehr bewegend war und uns nachdenklich gemacht hat. Wir bedauern es sehr, dass diese grüne Oase für ein anderes Projekt weichen soll. Wir sind eine Garten- und Landschaftsbau-Firma, die es begrüßt, die Stadtentwicklung in Berlin zu fördern und zu unterstützen. Wir freuen uns, wenn viele neue Bäume, Sträucher von unseren Mitarbeitern gepflanzt werden oder neue Parks mit Spielplätzen für unsere Kleinen entstehen.
Ich war selbst vor Ort und habe mir die Oase angeschaut und war sehr überrascht, dass sie abgerissen werden soll. Da wir auch möchten das diese bestehen bleibt, für Tiere, die da leben und für die Anwohner zur Erholung, haben wir beschlossen von diesem Auftrag zurück zu treten und keinen Baum zu fällen. Morgen werden die Halterverbotsschilder abgeholt und am Samstag den 27.11.21 wird der Zaun wieder montiert. Wir wünschen Ihnen weiter viel Erfolg und alle Gute für das Vorhaben „Grüne Oase“.
Mit freundlichen Grüßen i.A. M. Trogisch, Bauleitung, Meister im Garten- und Landschaftsbau E&K Garten- & Landschaftsbau GmbH
Am heutigen Morgen holte Kaya die Schilder unter großem Applaus der vielen AnwohnerInnen, von denen einige Tränen in den Augen hatten, sowie von Franco und Michail Nelken (Linke) die Schilder ab und erklärte: „Man muss jedes Grün hier erhalten, es gibt in Berlin schon genug Beton. Und außerdem sind wir Baumpfleger und fällen keine gesunden Bäume.“
Die Initiative hofft jetzt auf die BVV-Versammlung am 6.12., bei der Linke und Grüne eine Resolution gegen die Baumfällung und für eine nochmalige Prüfung erwirken wollen. Die AnwohnerInnen werden dann vor dem Versammlungsort demonstrieren und die politische Unterstützung für das von 3000 BürgerInnen unterzeichnete Fäll-Moratorium für ein lebenswertes, grünes Berlin, bei dem Baumrecht vor Baurecht geht, auch von der neuen Bezirksversammlung einfordern.
Inzwischen wird die WBM sicherlich weiterhin versuchen, so schnell wie möglich mit einer neuen Firma mit dem Fällen der Baumriesen Tatsachen zu schaffen. Aber in den Koalitionsverhandlungen geht es gerade um ein lebenswertes Berlin und die Charta für eine grüne Stadt – unter diesem Blickwinkel müssten so strittige Projekte neu geprüft werden. Wir alle wissen, dass bezahlbare Wohnungen dringend gebraucht werden. Aber es ist auch wichtig, genau zu überlegen, wo und wie nachverdichtet wird und in Zeiten der Klimanotlage Baumrecht vor Baurecht zu stellen. Es gibt – wie mehrfach erwähnt – Alternativen an dem Standort für die Schaffung von Wohnraum durch Aufstockung der bestehenden Häuser und einen kleineren Neubau, bei dem große Teile der Oase und vor allem die riesigen, alten Bäume erhalten bleiben können.
Weitere Infos bei Diana Böhme, Gründerin der Initiative „Grünes Friedrichshain“ unter Tel.: 0176-70232504 und Kirsten Reinhold, Sprecherin: 0175-1530495 sowie per Email: GruenesFriedrichshain@gmx.de und https://friedrichshainerinnenhoefe.wordpress.com/