Zweiter Brandbrief an den Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Andreas Geisel
Sehr geehrter Herr Senator Geisel,
Berlin soll, so steht es im Koalitionsvertrag, eine soziale und ökologische Zukunftsstadt werden. Was aktuell in verschiedenen Berliner Bezirken geschieht, steht dem diametral entgegen. Sie schaffen mit Ihrer Senatsverwaltung gegen den erklärten politischen Willen der Bezirke weiterhin Fakten, wie wir das gerade in Karlshorst, Marienfelde und Hellersdorf beobachten:
- Im Karlshorster Ilse-Kiez existiert seit Oktober 2016 ein Aufstellungsbeschluss zum B-Plan 11-125. Dem Bebauungsplanverfahren gemäß wurden alle Prozessschritte von frühzeitiger Bürgerbeteiligung, Bezirksamtsbeschlüssen, Bürgerbeteiligung, Behördenbeteiligung sowie der dazugehörigen Auswertungs- und Anpassungsphasen ordnungsgemäß durchlaufen. Erst im Rahmen der Rechtsprüfung, also kurz vor dem rechtsgültigen Bezirksverordnetenbeschluss des B-Planes, kam es durch die Senatsverwaltung zu durchschaubaren Einwendungen im Verfahren. Alle bezirklichen Planungen wurden mit einem Handstreich zunichte gemacht.
- In der Beyrodtstraße in Marienfelde haben Sie jüngst für ein Bauvorhaben der Degewo im Widerspruchsverfahren eine Befreiung vom geltenden B-Plan erteilt, den das Bezirksamt Tempelhof-Schönberg richtigerweise abgelehnt hatte, weil die Grundzüge der Planung verletzt werden.
- Im Hellersdorfer Roten Viertel wurde vor einem Jahr per Flugblatt die Bebauung von zwei, zu DDR-Zeiten beplanten, Innenhöfen nach §34 BauGB angekündigt. Seitdem haben Bürgerinnen und Bürger, die BVV und Mitglieder des Abgeordnetenhauses gegen die maximale Überbauung der Höfe protestiert, verhandelt und um Gespräche gebeten. Umsonst. Auch eine Kompromisslösung wurde abgelehnt.
Überall entmündigen Sie und Ihre Senatsverwaltung die Bezirksverordnetenversammlungen und kompetente lokale Akteure, negieren deren Entscheidungen und ziehen strittige Vorhaben an sich. So kann kein Vertrauen und kein, wie Sie es einmal nannten, gemeinsames Gelingen entstehen. Im Gegenteil, die Menschen sind verbittert. Unter rotgrünroter Politik verstehen wir etwas anderes. Wir wollen Verantwortung für die zukünftigen Generationen übernehmen, wir wollen demokratische, soziale und klimagerechte Lösungen anstreben. Wir wollen Höfe, die atmen und kühlen und Schwämme sind. Wir brauchen keine Backhöfe, wie Sie sie bauen wollen. Wir wollen als Bürger mitreden.
Die Berliner Sozialdemokratie hat in den 1920er Jahren mit dem Fluch der größten Mietskasernenstadt der Welt gebrochen und Wohnsiedlungen mit großen grünen Innenhöfen gebaut. Einhundert Jahre später kehren Sie zum Dogma des grauen Betons zurück.
Deswegen zitieren wir Sie, Herr Geisel, noch einmal gerne: „Resiliente Städte stellen die Menschen in den Mittelpunkt. Ihr Wohl ist die Richtschnur unseres Handelns. Denn eine Stadt ist nur so stark wie ihre Bewohner.“
Deswegen fordern wir Sie vor dem nun beginnenden Wahlkampf auf:
- Treten Sie unverzüglich in einen Dialog mit uns,
- Stellen Sie das Fällen der Bäume ein und
- Passen Sie das Verwaltungshandeln Ihrer Senatsverwaltung dringend an.
Bezogen auf den Ilse-Kiez bedeutet das die sofortige Aufhebung der Blockade des Bebauungsplans durch Ihre Senatsverwaltung und erklärter Verzicht auf das Bauvorhaben der Howoge. Der Senat muss sicherstellen, dass im Falle der Verzögerung der Festsetzung des B-Plans die Howoge die Ziele der bezirklichen Planung nicht unterläuft und keinen Bauantrag stellt.
Vor mehr als vier Wochen, am 27. September 2022, hatte Ihnen und den Vorständen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung bereits einen Brief gesendet mit der Forderung, mit uns zu kommunizieren über Wohnungsneubau in Berlin, vor allem über Verdichtungsmaßnahmen in Ostberlin nach § 34 Baugesetzbuch. Sie haben nicht geantwortet, Sie haben noch nicht einmal den Eingang bestätigt. Unser Bündnis vertritt 10.000 Menschen. Wir erwarten, dass ein Senator ein Anliegen von so vielen Menschen respektiert und erwidert.
Berlin, den 31.10.2022
Für das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung
Kordelia Mühlau
Bürgerinitiative „Rettet den Ilse-Kiez”
Axel Matthies
Grüne Höfe Hellersdorf Süd
Cornelia Brunner
Mieterinitiative „Grünes Marienfelde“
Das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung vereint derzeit 30 Bürgerinitiativen, die sich in ganz Berlin mit Nachverdichtung und Versiegelung konfrontiert sehen und für eine nachhaltige Stadtentwicklung eintreten.