Kolonie 10 – Konflikt um Weddinger Koloniestraße 10 eskaliert

17. Januar 2025 22:20

Kolonie10 bleibt

Gewalt und politische Versäumnisse

Der seit 2017 schwelende Konflikt um die Weddinger Kolonie 10, ein Areal von kultureller und biologischer Bedeutung, ist kürzlich in eine gewalttätige Auseinandersetzung eskaliert. Der bayerische Investor Romeo U., der plant, dort Mikroapartments zu errichten, geriet mit einem Kameramann aneinander, der die illegalen Abrissarbeiten filmte. Dieser Vorfall führte zu einem Polizeieinsatz und gegenseitigen Anzeigen wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs.

Historie der Kolonie 10 und kulturelle Bedeutung

Die Kolonie 10, ursprünglich 1860 als Fuhrhof erbaut, war später Heimat von Ateliers, Werkstätten und einer Tanzschule und ist bekannt für seine große Spatzenkolonie. 2017 wurde das Gelände an eine Investorengruppe verkauft, seitdem mussten viele der dort ansässigen Künstler und Handwerker ihre Arbeitsstätten aufgeben. Die Anwohner und Umweltschützer kämpfen seit Jahren gegen die geplanten Bauprojekte, da sie die Zerstörung der Biodiversität und den Verlust eines wichtigen kulturellen Erbes befürchten.

Kolonie 10 bleibt

gezeichnete Pläne der Remisen im Hinterhof

Kontinuierliche Abrissarbeiten trotz Widerstand

Seit der Übernahme durch Romeo U. im Jahr 2022 wurden kontinuierlich Abrissarbeiten durchgeführt, obwohl viele der alten Gebäude noch bewohnt sind. Der Investor plant, das Gelände zu räumen und Mikroapartments zu errichten, was auf erheblichen Widerstand stößt. Anwohner und die Naturfreunde Berlin kämpfen gegen die Abrisspläne und fordern den Schutz der Gebäude und der Tierwelt. Der Baustadtrat von Berlin-Mitte, Ephraim Gothe, wurde kritisiert, weil er kein Veto gegen die Abrissarbeiten eingelegt hat.

Bis 2023 wurden der Abriss des BioDiversitätsHotspot Kulturhof Koloniestraße10 durch die UNB verhindert. Die Gesetzeslage ist derzeit die gleiche. Doch der Leiter der Behörde ist jetzt ein Architekt: Christopher Schriner. Siehe da, plötzlich wird abgerissen OHNE CEF! Hier zeigt sich, dass es eine politische Entscheidung ist.

Artenschutz in der Kolonie10 – Kritik am NABU

Hier wie auch bei vielen anderen Baustellen in Berlin sind Gutachter vom NABU beauftragt – am Freitag war Rainer Altenkamp vor Ort. Auch hier haben die Naturfreunde Berlin zurecht eine Stellungnahme bezogen:

“Die Arterfassung und Betroffenheitsabschätzung sind defizitär und unvollständig, beruhen auf falschen Tatsachenbehauptungen, da Prüfschritte fehlen (auch der UNB). Daher ist der Antrag zur Ausnahme vom Sommerrodungsverbot nicht plausibel. Er wurde weder ausreichend begründet, noch dokumentiert.”
https://www.naturfreunde-berlin.de/naturfreunde-beteiligen-aktiv-stellungnahme-bln-koloniestrasse-10

Der BLN (Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz) sieht es genauso:

„Wir lehnen den Antrag auf Ausnahmegenehmigung für das geplante Abrissvorhaben des Kulturhofs Koloniestraße 10 sowie den Antrag auf Ausnahme vom Sommerrodungsverbot ab.“
Stellungnahme BLN (PDF)

Der Vorfall und Polizeieinsatz

Der jüngste Vorfall am Freitag markiert einen Höhepunkt der Spannungen. Ein freiberuflicher Kameramann filmte die Baustelle und dokumentierte die Arbeiten des Naturschutzbundes (NABU) und des Bezirksamts, die Nistkästen an den Garagen inspizierten. Romeo U. forderte den Kameramann auf, seinen Ausweis vorzuzeigen, doch dieser weigerte sich. Daraufhin versuchte Romeo U. gewaltsam, dem Kameramann die Kamera zu entreißen, wobei dieser zu Boden gestoßen und am Knie verletzt wurde. Auch das Kameraequipment wurde beschädigt. Der Investor legte die Kamera schließlich hinter einen Bauzaun in einer Garage ab und gab sie erst auf wiederholte Aufforderung zurück, kurz bevor die Polizei eintraf.

Rechtliche Schritte und Zeugenaussagen

Die Polizei bestätigte den Vorfall und nahm mehrere Anzeigen auf: gegen den Investor wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung und gegen den Kameramann wegen Hausfriedensbruchs. In einem Gedächtnisprotokoll, das der Berliner Zeitung vorliegt, bestätigt ein Zeuge die Darstellung des Kameramanns. Der anwesende Mitarbeiter des Bezirksamts verließ das Gelände aus Protest, da er die brutale Behandlung nicht weiter tolerieren wollte. Auch ein Mitarbeiter des Naturschutzbundes (NABU) war Zeuge der Auseinandersetzung, konnte jedoch keine detaillierten Angaben machen, da er gerade mit der Inspektion beschäftigt war.

Politik versagt: Gewalt gegen Aktivisten in Berlin-Wedding

Die jüngsten Ereignisse in Berlin-Wedding, insbesondere der Angriff auf einen Aktivisten durch einen Investor, offenbaren ein erschreckendes Bild von der aktuellen politischen Lage. Während ein Investor mit Gewaltandrohungen durchkommt, scheinen die zuständigen Behörden untätig zu bleiben. Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die Versäumnisse der Politik und die wachsende Macht von Investoreninteressen.

Gentrifizierung und Kommerzialisierung: Herausforderungen für Städte

Die Kolonie10 ist mehr als nur ein Gebäudekomplex; sie ist ein Mikrokosmos für die Herausforderungen, denen unsere Städte gegenüberstehen. Gentrifizierung, der Verlust von bezahlbarem Wohnraum und die Kommerzialisierung öffentlicher Räume sind Probleme, die viele Städte weltweit plagen. In Berlin-Wedding sind diese Entwicklungen besonders akut, und die Koloniestraße 10 ist zu einem Symbol des Widerstands gegen diese Tendenzen geworden.

Die Rolle der Politik

Die Politik trägt eine große Verantwortung für die Entwicklung unserer Städte. Sie ist dafür zuständig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine gerechte und nachhaltige Stadtentwicklung ermöglichen. In Fällen wie dem der Kolonie 10 versagt sie jedoch kläglich. Die Prioritäten scheinen oft bei den Interessen von Investoren zu liegen, während die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Schutz von kulturellem Erbe in den Hintergrund treten.

Kolonie 10 bleibt

Folgen für die Demokratie

Die Ereignisse in Berlin-Wedding haben weitreichende Konsequenzen für unsere Demokratie. Wenn Aktivisten, die sich für den Erhalt von Lebensräumen und sozialen Räumen einsetzen, mit Gewalt bedroht werden, ist das ein Angriff auf die Grundrechte der Bürger*innen. Es ist ein Zeichen dafür, dass die freie Meinungsäußerung und das Recht auf Versammlungsfreiheit immer stärker eingeschränkt werden.

Notwendige Maßnahmen

Es ist höchste Zeit, dass die Politik ihre Prioritäten neu ausrichtet. Folgende Maßnahmen sind dringend erforderlich:

  • Stärkung der Bürgerbeteiligung: Die Anwohner*innen müssen bei allen Entscheidungen, die ihre Lebensumwelt betreffen, frühzeitig und umfassend beteiligt werden.
  • Erhalt von Milieuschutzgebieten: Die bestehenden Milieuschutzgebiete müssen konsequent durchgesetzt und neue ausgewiesen werden.
  • Förderung von gemeinnützigen Projekten: Die Stadt sollte gemeinnützige Projekte unterstützen, die sich für den Erhalt von kulturellen und sozialen Räumen einsetzen.
  • Regulierung von Investoren: Es bedarf strengerer Vorschriften, um Spekulationen mit Immobilien zu verhindern und den sozialen Wohnungsbau zu fördern.
  • Schutz von Aktivist*innen: Die Behörden müssen sicherstellen, dass Aktivist*innen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, vor Gewalt und Einschüchterung geschützt werden.

Ein Appell an die Bürger*innen

Die Ereignisse um die Kolonie 10 zeigen, wie wichtig es ist, sich für eine gerechte und nachhaltige Stadtentwicklung einzusetzen. Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten, indem sie sich in lokalen Initiativen engagiert, an Demonstrationen teilnimmt und ihre gewählten Vertreter*innen auffordert, sich für den Erhalt von Lebensräumen und sozialen Räumen einzusetzen.

Die Koloniestraß3 10 ist ein Symbol für den Widerstand gegen die Kommerzialisierung unserer Städte. Lassen wir nicht zu, dass dieser Ort verloren geht

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