Liebe Nachbarinnen, liebe Nachbarn, „Stadt und Land zurück an den Verhandlungstisch!“, so oder so ähnlich empörten sich erst der Bürgermeister und die zuständige Stadträtin, dann die Fraktionen der BVV. Doch „Stadt und Land“ schwieg. Die Pressesprecher waren nicht erreichbar, ein untrügliches Zeichen, dass da was im Gange ist.
Verdächtiger Zeitpunkt. Der überraschende Zug der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, kurz nach Erteilung der Baugenehmigung den Letter of Intent aufzukündigen und das umstrittene Bauvorhaben in den Innenhöfen der Siedlung am Plänterwald trotz aller Proteste durchzuziehen, hatte schon einen sehr starken Beigeschmack (hier der Artikel aus dem letzten Newsletter). Der Zeitpunkt hätte nicht verdächtiger sein können. War der Letter of Intent nur eine Hinhaltetaktik? Wollte „Stadt und Land“ gar nicht ernsthaft auf eine Ersatzfläche ausweichen?
Mehrkosten für den Ersatzstandort. Inzwischen versucht die Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen in dem Streit zu vermitteln. Bausenator Andreas Geisel (SPD) zeigte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus allerdings nur wenig Verständnis für die Position von Bezirk und Anwohnern. Allein die unverbaute Sicht ins Grüne zu erhalten, sei noch kein objektiver Grund, den dringend nötigen Neubau von 100 Wohnungen zu verhindern. Das Ausweichen auf ein Ersatzgrundstück würde viel Zeit kosten und die Baukosten laut Geisel (er beruft sich dabei auf Berechnungen von „Stadt und Land“) um 2,5 Millionen Euro erhöhen.
„Kultur des Gelingens“. Auch die Androhung des Bezirks, trotz vorhandener Baugenehmigung keine Fällgenehmigung für die Bäume auf den Bauflächen zu erteilen, findet Geisel kontraproduktiv. „Wir brauchen eine Kultur des Gelingens“, nicht der Konfrontation. Auf landeseigenen Grundstücken müssten deutlich mehr Wohnungen gebaut werden. Geisel fand auch das Stadt-und-Land-Argument plausibel, dass an der Ersatzfläche ebenfalls mit Protesten von Nachbarn gerechnet werden müsse, das Problem also allenfalls verschoben werde statt es zu lösen.
Schon der nächste Konflikt. Es geht eben um die Nachverdichtung einer bestehenden Siedlung, was fast immer Proteste auslöst. Ein neuer Konflikt hat sich bereits an anderer Stelle aufgetan. In Spindlersfeld will die Degewo hinter der Färberstraße 19 einen grünen Innenhof bebauen und nach Angaben der Nachbarn 150 Jahre alte Laubbäume fällen. Es geht um 28 neue Wohnungen in einem 50 mal 70 Meter großen Hof. Einen weiteren Neubaublock möchte die Degewo auf einem angrenzenden Parkplatz errichten, wieder geht es um 28 Wohnungen. Diesen Parkplatz würde man schweren Herzens hergeben, sagt die Sprecherin der Bürgerinitiative, Sabine Idel. Aber eben nicht die grüne Oase vor ihren Haustüren und Balkonen.
Mein Vorschlag zur Konfliktbewältigung: Alle 56 Wohnungen auf dem versiegelten Parkplatz errichten, die Traufhöhe ignorieren und ein kleines Punkthochhaus bauen. Man wird höher hinaus müssen, wenn innerstädtische Grünflächen und Äcker am Stadtrand erhalten werden sollen. Auch die Grünen haben das längst erkannt, nur müssen sie es auch mal umsetzen und konkret bei der SPD dafür werben, die doch noch sehr an der Berliner Traufhöhe hängt.
Thomas Loy, aufgewachsen an der Küste (Nordsee), zog 1995 nach Berlin und wohnt mit seiner Familie seit zehn Jahren in Johannisthal. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an leute-t.loy@tagesspiegel.de