I. Resümee
Dem Gesetzentwurf liegt eine verfehlte Einschätzung über die Ursachen von Wohnungsversorgungskrise und steigenden Mieten in den Bestandswohnungen zugrunde. Als probates Gegenmittel werden eine Beschleunigung des Wohnungsneubaus zur Steigerung der Neubauzahlen vorgeschlagen.
Dazu sollen Änderungen an der Bauordnung Berlin, dem Ausführungsgesetz zum Baugesetzbuch, dem Naturschutzgesetz Berlin, der Baumschutzverordnung Berlin und anderen Landesgesetzen vorgenommen werden, die im Baugenehmigungs- und Bauplanungsverfahren zu beachten sind. Diese Änderungen zielen überwiegend darauf ab, durch die Minderung von Schutzstandards für Mensch, Natur, Artenvielfalt und Klima den Wohnungsneubau zu erleichtern und zu beschleunigen, da diese Schutzvorschriften angeblich Hindernisse für mehr und schnelleren Wohnungsneubau seien.
Wohnqualität und Gesundheit der Bewohner, Natur und Artenschutz sowie Klimaresilienz werden in diesem Herangehen als nachrangig gegenüber dem raschen Wachstum der Wohnungsanzahl eingeordnet. Das SBG-E könnte so zur Verschärfung der Klimakrise und zur Zerstörung der Lebensgrundlagen von Menschen, Pflanzen und Tieren beitragen.
Neben dem Abbau von gesetzlichen Schutzrechten für Mensch, Baukultur, Natur und Klima soll mit dem Gesetzesänderungspaket eine systematische Verlagerung von Zuständigkeiten in Planungs- und Baugenehmigungsverfahren von der Bezirksebene auf die Senatsebene vorgenommen werden. Zudem sollen die Eingriffsrechte der Senatsverwaltungen zu Lasten der Bezirksbehörden erheblich ausgeweitet werden.
Mit dieser Zentralisierung und Verlagerung von Zuständigkeiten auf die Landesebene wäre eine Verringerung der Eigenverantwortung der bezirklichen Organe der kommunalen Selbstverwaltung verbunden. Sowohl dem Bezirksamt als auch der Bezirksverordnetenversammlung würden auf diese Weise Gestaltungskompetenzen entzogen. Infolgedessen käme es auch zu einer Verschlechterung der Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger. Das SBG würde somit auch zu Demokratieabbau führen. Dabei wird die Annahme zugrunde gelegt, dass die Bezirksverwaltungen und die demokratischen Organe der kommunalen Selbstverwaltung die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als segensreich für Berlin bewerteten Bauvorhaben notorisch blockieren, verschleppen und hintertreiben. Der Senat bewertet Widerspruch und sachlich begründete Gegenpositionen aus der Bezirksverwaltung, den demokratischen Vertretungskörperschaften und der Bewohnerschaft generell als Obstruktion seiner „richtigen Politik“. Unter diesem selbstbezogenen Zentralismus leidet die Qualität der Berliner Stadtentwicklung seit Jahren.
Der Beschluss des SBG würde eine Zuspitzung dieser negativen Entwicklung darstellen. Eine Umkehr ist im Interesse einer lebenswerten Stadt, die weiterhin für Berlinerinnen und Berliner als Heimat attraktiv bleiben soll, überfällig.
II. Zum Gesetzt zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben (Schneller-Bauen-Gesetz – SBG)
Aus den Erfahrungen der Bürgerinitiativen in unserem Bündnis erachten wir insbesondere die im Folgenden erörterten Veränderungen für kritikwürdig.
II.1. Änderung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz
- Die Neuformulierung im § 13 a (1)Die Neuformulierung im § 13 a (1), dass auch eine nur „mittelbare“ Beeinträchtigung dringender Gesamtinteressen Berlins zum Eingriff der Senatsverwaltung in Bezirksverantwortung berechtige, würde der bereits jetzt mitunter willkürlichen Handhabung des Eingriffsrechts einen noch größeren, diffusen Handlungsraum eröffnen.
- Die Gesetzesbegründung lässt sowohl für die bezirkliche Verwaltungsebene als auch für Bürger unbeantwortet, wann eine solche mittelbare Beeinträchtigung gesamtstädtischer Interessen bereits vorliegen soll. Sicher ist aber, dass damit das Prinzip der Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung weiter ausgehöhlt und die lokale Sachkompetenz der bezirklichen Verwaltungen und der Anwohnerschaft (Bürgerbeteiligung) weiter ausgeblendet würde.
- Mit der Einfügung der Nr. 5-7 in § 13a Abs. 1 S. 3 würde das Vorliegen dringender Gesamtinteressen, im Unterschied zum § 7 AG BauGB, zu einem allgemeinen Eingriffsrecht aufgeweitet, das nicht nur Planungsvorhaben von gesamtstädtischer Relevanz betrifft, sondern unter gewissen Voraussetzungen auch viele einzelne Bauvorhaben. Dabei wird das dringende Gesamtinteresse bereits bei Wohnungsbauvorhaben, die wegen ihrer Größe (ab 50 Wohneinheiten) von besonderer Bedeutung für den Berliner Wohnungsmarkt seien, gesehen. Diese neue Bestimmung kommt einen allgemeinen Eingriffsrecht der Hauptverwaltungen bei allen Bauvorhaben des Geschosswohnungsbaus gleich. Seine Verfassungskonformität ist mehr als zweifelhaft. Dieser Richtwert für den Eingriff ist im AG BauGB mit 200 Wohnungen angegeben und lag vor wenigen Jahren noch bei 500 Wohnungen.
II.2. Änderung der Bauordnung Berlin
Auch durch die vorgesehenen Änderungen der Bauordnung Berlin (BauO Bln) sollen Zuständigkeiten von den Baubehörden der Bezirke im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren auf die Ebene der Senatsverwaltung verlagert werden. Gravierend sind dabei die angestrebten Änderungen der §§ 69 und 88 BauO Bln.
- Mit der Änderung des § 69 BauO Bln soll in Baugenehmigungsverfahren (u.a. bauaufsichtlichen Verfahren), in denen SenSBW über die Baugenehmigung entscheidet, zukünftig die Beteiligung tangierter Fachbehörden auf Senats- statt wie derzeit auf Bezirksebene stattfinden. Das bedeutet, dass anstelle der eigentlich zuständigen und in der Sache kompetenten bezirklichen Ämter für Umwelt- und Artenschutz, Straßen- und Grünflächen oder für Denkmalschutz zukünftig die entsprechenden Senatsverwaltungen beteiligt werden. Das widerspricht den Prinzipien der zweistufigen Verwaltung und ist zudem sachfremd, denn die örtliche Sachkenntnis liegt bei den zuständigen bezirklichen Ämtern vor. Die Senatsverwaltungen wären für fachkompetente Bescheide auf die Amtshilfe der bezirklichen Fachbehörden angewiesen. Das ist das Gegenteil von Verwaltungsvereinfachung. Diese Änderung basiert auf der Unterstellung, dass die bezirklichen Behörden die angestrebten politischen Ziele der Hausleitung der Senatsverwaltung hintertreiben und blockieren könnten.
- Analog zur Änderung des § 69 soll durch die Einfügung eines Absatzes (2) in den § 88 BauO Bln im Widerspruchsverfahren gegen eine Baugenehmigung (oder Bauvorbescheide u.a. bauaufsichtliche Bescheide), das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durchgeführt wird, die Beteiligung der Fachbehörde von der Bezirksebene auf die Senatsebene verlagert werden.
Auch diese Änderung steht im Widerspruch zum Prinzip der Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung und der generellen Zuständigkeit der Bezirke für die bauordnungsrechtlichen Verwaltungsakte. Es geht hierbei nicht um mehr Verfahrens- bzw. Verwaltungseffizienz, sondern um die Vergrößerung der „behinderungsfreien“ Durchgriffsmöglichkeiten der politisch geführten Senatsverwaltung auf die Tätigkeit der bezirklichen Bauverwaltungen und damit zugleich auf eine Abschirmung gegen das Wirken der Organe der kommunalen Selbstverwaltung in den Bezirken.Dies ist immanent mit einer Einschränkung der Partizipation der Bürgerschaft bei der Gestaltung einer nachhaltigen Stadtentwicklung verbunden.
II.3. Änderung des Denkmalschutzgesetzes Berlin (DSchG Bln)
Im Bereich des Denkmalschutzes sollen die Eingriffsmöglichkeiten der Senatsstadtentwicklungsverwaltung bzw. dem ihr jetzt wieder untergeordneten Landesdenkmalamt (LDA) erheblich erweitert werden.
- § 5 DSchG Bln – War bislang das LDA für denkmalrechtliche Ordnungsaufgaben zuständig soweit es sich um Aufgaben der Hauptverwaltung handelt, soll diese Zuständigkeit nun gegeben sein, soweit es sich um Aufgaben von hauptstädtischer Bedeutung handle.
Bei Vorhaben im Geltungsbereich von Bebauungsplänen, die die Senatsstadtentwicklungsverwaltung nach den §§ 7 – 9 festgesetzt hat, kann das LDA (Fachbehörde) die maßgebliche denkmalpflegerische Beratung, für die nach § 6 die Untere Denkmalschutzbehörde (UD) der Bezirke zuständig sind, an sich ziehen. - Im Dissensfall zwischen UD und LDA im Rahmen des Einvernehmensverfahrens soll zukünftig die Entscheidung durch die Oberste Denkmalschutzbehörde (OD) nur dann erfolgen, wenn die UD den Dissens zur Entscheidung vorlegt, andernfalls muss sie der Stellungnahme des LDA in Ihrem Bescheid Folge leisten.
- Die jüngst eingeführte, fragwürdige Berichterstattung des LDA an die OD vor Feststellung des Einvernehmens, wenn Wohnungsbauvorhaben betroffen sind (siehe § 6 (6) DSchG Bln), soll durch das SBG auf Schulbauvorhaben erweitert werden. Damit soll für den Fall, dass die Denkmalfachbehörde LDA den denkmalrechtlichen Bescheid der bezirklichen UD als fachlich korrekt bewertet, die politische Interventionsmöglichkeit des Senators ausgeweitet werden. Die Unterordnung der denkmalpflegerische Fachbelange unter politische Interessen der politischen Hausleitung würde auf diese Weise in verwaltungsinterne Routinen verlagert. Statt einer transparenten Abwägung unterschiedlicher öffentlicher Belange, die das DSchG vorsieht, würde der Denkmalschutz so intransparent parteipolitischen Opportunitätserwägungen unterworfen.
- Mit dem SBG-E soll das DSchG dahingehend geändert werden, dass das LDA generell über Widersprüche gegen denkmalrechtliche Bescheide der bezirklichen UD, die im gesonderten denkmalrechtlichen Verfahren ergangen sind, entscheidet, wenn die Vorhaben in Geltungsbereich von B-Plänen liegen, die SenStadt nach §§ 7 – 9 Ag BauGB festgesetzt hat oder wenn das Vorhaben eine Geschossfläche von mehr als 1.500 qm hat. Das bedeutet für diese Fälle eine Aushebelung des üblichen Widerspruchsverfahrens, in dem bislang die OD den Widerspruch entscheidet, sofern ihm von der UD nicht abgeholfen wurde. Diese Veränderung folgt der analogen Zuständigkeitsverlagerung im § 88 BauO Berlin. Sie normiert, dass im Falle, dass der denkmalrechtliche Bescheid als Stellungnahme im Rahmen eines bauaufsichtlichen Genehmigungs- oder Widerspruchsverfahrens in Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ergeht, die Zuständigkeit beim LDA liegt. Das dient der Verschiebung der Zuständigkeiten auf eine Behörde der Senatsebene. Damit sollen die politischen Interventionsmöglichkeiten des Senators in die Entscheidungen der bezirklichen denkmalpflegerischen Fachbehörden (UD) erweitert bzw. deren Kompetenz willkürlich ausgeschaltet werden können. Der Denkmalschutz wird vom Senat als Bau-Behinderung angesehen und soll deshalb in strittigen Fällen der weisungsgebundenen nachgeordneten Fachbehörde (LDA) unterstellt werden.
II.4. Berliner NaturschutzG
Die vorgesehenen Änderungen verschlechtern die Wirkungsmöglichkeiten der bezirklichen Naturschutzbehörden und die Mitwirkungsrechte der Naturschutzvereinigungen. Das läuft nach den Erfahrungen der in unserem Bündnis zusammenwirkenden Bürgerinitiativen den Erfordernissen eines verbesserten Natur- und Artenschutzes diametral entgegen.
Änderung § 17
- Absatz (1)
Die Bezeichnung „Verursacher“ sollen aus dem Text herausgenommen werden und die Frist für die Realisierung der Ausgleichsmaßnahmen – bislang 2 Jahre – wird mit „angemessen“ nunmehr in ihrer Ausdehnung unbestimmt formuliert. - Absatz (3)
Dass die Verwendung der Ausgleichszahlungen für Ersatzmaßnahmen in Berlin und nur im Ausnahmefall außerhalb zu verwenden sind, soll gestrichen werden. Damit würde die Verwendung der Zahlungen für Ersatzmaßnahmen in weit vom betroffenen Naturraum entfernten Gebieten erleichtert. Alle Kompensationsmaßnahmen für unvermeidbar Eingriffe sollten möglichst ortsnah und zeitnah durchgeführt werden. Ein zeit- und ortsnaher Einsatz des Geldes zur Aufrechterhaltung der Biotop- und Naturhaushaltsfunktionen, in die eingegriffen wird, ist der materielle Gehalt dieser Regelung im Naturschutzgesetz, die nicht fakultativ gestellt werden kann.Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass sich dieses Erfordernis in der Praxis häufig als Verfahrenshemmnis erwies. Allein das stellt aus unserer Sicht keine ausreichende Begründung dafür dar, die Verlagerung von Ersatzmaßnahmen in Bereiche außerhalb Berlins grundsätzlich zu ermöglichen. Der Biotop- und Naturhaushaltsfunktionen müssen dort aufrechterhalten werden, wo die entsprechende Baumaßnahme in die genannten Schutzgüter eingreift. Eine Aufweichung dieses Erfordernisses schadet der Tier- und Pflanzenwelt sowie der Lebensqualität der dort lebenden Bürgerinnen und Bürger. - Absatz (4) neu
Die Möglichkeit der Beauftragung Dritter mit Ausführung der Kompensationsverpflichtungen und deren dauerhafter Pflege erhöht das Risiko, dass diese nicht dauerhaft vollumfänglich erbracht werden.
- Absatz (1)
Änderung § 19
- Zum einen soll die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Eingriffen gem. § 17 Bundesnaturschutzgesetz in einer Reihe von Konstellationen auf die oberste Naturschutzbehörde verlagert werden. Zum anderen soll das bisherige Erfordernis der Herstellung eines Einvernehmens in ein „Benehmen“ herabgestuft werden. Diese Gesetzesänderungen hätten eine Schmälerung der Wirksamkeit der Naturschutzbehörden zur Folge.>
Änderung § 28 (Biotope)
- Absatz (4) neu
Befreiungsmöglichkeit vom Verbot des Eingriffs in gesetzlich geschützte Biotope soll erweitert werden und zukünftig auch möglich sein, wenn die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können oder „wenn überwiegende öffentliche Belange diese erfordern, insbesondere bei der Verwirklichung bedeutsamer Vorhaben des Wohnungsbaus oder der sozialen Infrastruktur.Damit würde der Biotopschutz perforiert.
- Absatz (4) neu
Einfügen § 38 a und § 39 a
- Der neue § 38 a sichert die politisch gewollte Priorisierung von Wohnungsbauvorhaben bei der Bearbeitung von Anträgen auf Ausnahmegenehmigungen vom Artenschutz gesetzlich ab. Damit wird dokumentiert, dass der Berliner Senat dem Artenschutz eine geringe Bedeutung beimisst.
- Der neue § 39 a macht das Verfahren zu Erteilung von Befreiungen und Ausnahme von den Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes (§§ 45 und 67 Bundnaturschutzgesetz) endgültig zum Behördenbingo. Nachdem die Genehmigungen zum Artenschutz wieder in das bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens nach §§ 63 und 64 BauO Bln aufgenommen werden sollen, wenn der Antragsteller diese Genehmigung nicht gesondert beantragt, wird mit dem § 39 a auch der Bauaufsichtsbehörde die Möglichkeit eingeräumt, diese zur gesonderten Bearbeitung doch weiterhin in ein eigenständige Genehmigungsverfahren der Naturschutzbehörde zu verweisen. Analog wird auch mit der Genehmigung der Entwässerung durch die Änderung des § 16 Berliner Wassergesetz im Artikel 11 des SBG-E verfahren.
Es mag verfahrenstechnische Gründe geben, die eine solche Ausweichmöglichkeit als sinnvoll begründen. Aber weniger Ausnahmen und Befreiungen von den gesetzlichen Vorschriften des Artenschutzes und von der Verpflichtung der Versickerung des Regenwassers auf dem Baugrundstück wären die gebotenen nachhaltigen Ziele, die mit diesen Änderungen nicht verfolgt werden.
Änderung § 45
- Die Mitwirkungsrechte der Naturschutzvereinigungen vor Erteilung einer Zulassung von Ausnahmen nach §45 (7) Bundesnaturschutzgesetz und Maßnahmen ohne Ausgleich oder Ersatz, sollen durch die Einführung einer Stellungnahmefrist von nur zwei Wochen erheblich verschlechtert werden. Die Stellungnahme soll innerhalb von zwei Wochen nach Unterrichtung über das mitwirkungspflichtige Vorhaben und der Ermöglichung der Einsichtnahme in die einschlägigen Sachverhaltsgutachten abgeben werden. Diese Verschlechterung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Naturschutzverbände wird dem dringenden Erfordernis eines nachhaltigen Naturschutzes nicht gerecht.
II.5. Änderung des Landeswaldgesetzes
Änderung § 6
- Im Absatz (2) soll für die Bearbeitung eines Umwandlungsantrages die Maßgabe eingefügt werden, dass „das öffentliche Interesse an der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum und sozialer Infrastruktur“ eine „besondere Berücksichtigung“ finden solle.
Dieser Belang erhält damit per Gesetz eine besonders privilegierte Gewichtung vor anderen Belangen. Das ist an dieser Stelle kontraproduktiv, weil hiermit intendiert wäre, dass der Neubau von Wohnungen, Schulen, Kitas etc. zu Lasten von Wald grundsätzlich eine höhere Gewichtung gegenüber dem Erhalt des Waldes hätte. Damit würde dem Schutz von Natur, Arten und Klima, also den Lebensgrundlagen des Menschen ein Nachrang gegenüber dem Bauen von Wohnungen eingeräumt. - Absatz (4)
„Die Zahlung einer angemessenen Walderhaltungsabgabe begründet bei Vorhaben des Wohnungsbaus und der sozialen Infrastruktur zudem eine angemessene Kompensation im Rahmen der Umwandlung.“ Ein Überwiegendes Interesse an Walderhaltung sei dabei die Ausnahme. Damit würde de facto gesetzlich einem „Ablasshandel“ mit der Waldvernichtung die Tür geöffnet.
Zudem ist diese Regelung in sich nicht konsistent, denn Absatz (4) verfolgt den „Zweck der Förderung der Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes“, wofür Ausnahmegenehmigungen zur Rodung und Umwandlung erteilt werden können, die befristet und mit Auflagen verbunden werden. „Bei Befristung der Genehmigung ist durch Auflagen sicherzustellen, dass die Fläche innerhalb einer angemessenen Frist ordnungsgemäß wieder bewaldet wird.“ Eine Befristung der Nutzung und Wiederbewaldung ist aber bei Wohnungsneubau- und Schulstandorte keine realistische Perspektive.
- Im Absatz (2) soll für die Bearbeitung eines Umwandlungsantrages die Maßgabe eingefügt werden, dass „das öffentliche Interesse an der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum und sozialer Infrastruktur“ eine „besondere Berücksichtigung“ finden solle.
Aufhebung des § 8
- Die Vorschrift einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei Rodung und Umnutzung von Waldfläche ab 3 ha bzw. unter bestimmten Bedingungen auch bei kleineren Waldflächen soll ersatzlos gestrichen werden. In der Begründung wird auf ein Überschreiten der europarechtlichen Vorgaben und deren Umsetzung im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) verwiesen, wo 10 ha als Maßgabe der Erforderlichkeit vorgesehen seien.
Die Wälder Berlins können nicht mit denen von Flächenländern verglichen werden. Die Berliner Wälder haben für Stadtnatur und Stadtklima eine besonders große Bedeutung und sollten deshalb auch höheren Schutzansprüchen unterliegen.
- Die Vorschrift einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei Rodung und Umnutzung von Waldfläche ab 3 ha bzw. unter bestimmten Bedingungen auch bei kleineren Waldflächen soll ersatzlos gestrichen werden. In der Begründung wird auf ein Überschreiten der europarechtlichen Vorgaben und deren Umsetzung im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) verwiesen, wo 10 ha als Maßgabe der Erforderlichkeit vorgesehen seien.
II.6. Änderung im UVP-Gesetz
In der Begründung wird als Anliegen dieser Änderung das Ziel angegeben, dass europa-rechtliche Vorgaben übertreffende Regelungen aufgehoben werden sollen. Allerdings sieht das Europarecht und auch die Übernahme ins Bundesrecht ausdrücklich auch weitergehende Regelungen vor, sofern der Gesetzgeber diese für erforderlich hält. Das ist nach unserer Ansicht für Berlin der Fall.
So ist die Streichung von UVP in einer Reihe von Fällen von Straßenbaumaßnahmen, die besonders in Landschaftsschutzgebiete, Biotope und Naturparks eingreifen, angesichts der fragilen Situation dieser wertvollen Naturräume in Berlin unangemessen und inakzeptabel. Aber auch die Streichung der UVP für Straßenbaumaßnahmen, die in dicht besiedelten Stadtgebieten zu signifikant erhöhten Schadstoffbelastungen führen können, wird unseres Erachtens der Verpflichtung der Stadt zum Schutz der Gesundheit ihrer Bewohner nicht gerecht.
II.7. BaumschutzVO
Die Wirksamkeit der Berliner Baumschutzverordnung wird durch die beabsichtigten Änderungen untergraben. Dabei ist der Schutz und die Vermehrung des Baumbestandes eine wichtige Aufgabe bei der Anpassung Berlins an die Klimaveränderungen.
Änderung § 5 – Ausnahmen (vom Beseitigungsverbot)
Mit der Einfügung der Nr. 5 Satz 2 Absatz (1) wird in die bisherige Aufzählung eine atypische Generalklausel eingeführt: Wenn „überwiegende öffentliche Belange dies erfordern, insbesondere die Verwirklichung bedeutsamer Vorhaben des Wohnungsbaus oder der sozialen Infrastruktur“ soll eine Befreiung vom Beseitigungsverbot möglich werden. Damit würde der Baumschutz, das Ziel der Verordnung, konterkariert.
III. „Untergesetzliches Maßnahmenpaket“ zum SBG
Das im Zusammenhang mit dem Schneller-Bauen-Gesetz vorgestellte „untergesetzliche Maßnahmenpaket“ listet Absichten und Vorhaben auf, von denen eine Reihe ähnliche systematische Defizite aufweisen, welche wir am Entwurf des Schneller-Bauen-Gesetz kritisieren. Die Beschleunigung und Vermehrung des Wohnungsneubaus wird isoliert als partikulare Aufgabe betrachtet, obgleich eine Stadt wie Berlin ein lebendiger Organismus ist und nur bei einer abgestimmten und integrierten Entwicklung aller seiner Teile und Belange ein lebenswerter Wohnort sein kann. Eine sozial und ökologisch nachhaltige Stadtentwicklung ist nur gestaltbar, wenn all diese Belange integrativ betrachtet und bearbeitet werden. Diesem Erfordernis wird das vorgestellte Maßnahmenpaket nicht gerecht.
Obgleich mit dem Senatsbeschluss vom 20. August 2024 die untergesetzlichen Maßnahmen bereits in Kraft gesetzt wurden, regen wird auf Basis der Erfahrungen der im Berliner Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (BBNS) zusammenwirkenden Bürgerinitiativen an, in den im Folgenden genannten Punkte eine kritische Revision und Korrektur durchzuführen.
III.1. engsichtige Priorisierung des Wohnungsneubaus
Zu der unter 1.3. formulierten Unterstützung der Einfügung eines § 246e in das BauGB haben wir bereits gesondert ausführlich Stellung genommen. Wir halten dieses Vorhaben für einen Irrweg. Statt die Stadtplanung angesichts des Klimawandels, des Artensterbens, der allgemeinen Umweltschäden und der Notwendigkeit gesunder, lebenswerter Wohnverhältnisse zu stärken, wird sie durch eine engsichtige Priorisierung des Wohnungsneubaus, vereinseitigt und ihres gebotenen integrativen Charakters beraubt. Hinzu kommt, dass der Wohnungsneubau hinsichtlich des CO2-Ausstosses bei der Herstellung und durch die mit ihm verbundene Bodenversiegelung überdurchschnittlich klimaschädlich ist. Die Begründung unserer Kritik ist in einem gesonderten Papier bereits ausgeführt, das wir im Anhang beifügen.
III.2. Zerstörung der integrativen Planungskultur
Die Bestrebungen, die Möglichkeiten der Befreiung vom geltenden Planungsrecht nach §31 Absatz (3) BauGB zu verstätigen und noch auszuweiten, laufen auf eine Zerstörung der integrativen Planungskultur hinaus. (Maßnahme 1.4. u. 1.5.) Eine zukunftsorientierte Stadtplanung wägt die unterschiedlichen Belange für eine nachhaltige Stadtentwicklung ab. Sie verliert ihren Sinngehalt, wenn ihr Inhalt durch eine einseitige Schwerpunktsetzung fortwährend durchlöchert und vernachlässigt werden kann. Wenn sich Festsetzungen als nicht mehr zeitgemäß erweisen, dann müssen sie in einem geordneten städtebaulichen Planungsverfahren geändert werden, weil nur so die Fortschreibung der Abwägung aller Belange gesichert werden kann. Das mag u.U. mehr Zeit in Anspruch nehmen, ist aber nachhaltig und damit langfristig für das Gemeinwesen auch effektiver.
III.3. Die Abschaffung überflüssiger Berichte und Aufwendungen
Die Abschaffung überflüssiger Berichte und Aufwendungenwäre im Grundsatz ein unterstützenswertes Vorhaben. Allerdings lassen die unter dem Punkt 1.6. angekündigten Bestrebungen zur Straffung des Umweltberichtes und zur Reduzierung der Umweltprüfungen im Kontext der anderen Vorhaben die Absicht einer Reduzierung des Umweltschutzes erkennen. Das ist angesichts der aktuellen Herausforderung an die Stadtplanung bei der Bewältigung der Anpassung an die Klimaveränderungen realitätsverleugnend und für die Entwicklung der zukünftigen Wohnqualität in der Stadt kontraproduktiv.
III.4. weniger Wohn- und Lebensqualität
Gleiches gilt für die angestrebte Priorisierung des Wohnungsneubaus gegenüber dem Natur- und Artenschutz wie sie mit den Maßnahmen 2.55 – 2.58 verfolgt wird. Auch hier gilt: Einseitigkeit, borniertes Sektorendenken („Wohnungsneubau first“) führt zu weniger Wohn- und Lebensqualität und reduziert perspektivisch die Bewohnbarkeit der Stadt.
III.5. Verlagerung von Entscheidungs- und Genehmigungskompetenzen
Das im SBG-E feststellbare Bestreben nach Verlagerung von Entscheidungs- und Genehmigungskompetenzen von der Bezirksebene auf die Senatsebene kennzeichnet auch eine Reihe der geplanten „außergesetzlichen Maßnahmen“, z.B. 2.1., 2.2., 2.48. und 2.51..
Unterstellt wird seitens der Senatsverwaltung dabei, dass an dem Nichterreichen ihrer „ehrgeizigen“ Zielzahlen im Wohnungsneubau andere Schuld seien, statt die eigenen Ziele und das eigene Handeln kritisch zu befragen. Die angestrebten Maßnahmen begründen sich darin, dass die Senatsverwaltung in den Bezirksverwaltungen und den demokratischen Organen der kommunalen Selbstverwaltung eine latente Behinderung oder gar Boykottierung ihrer Zielerreichung wähnt. Deshalb sollen zunehmend Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für Genehmigungsverfahren auf die Ebene der Senatsverwaltungen verschoben werden.
Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen den demokratischen Grundprinzipien der kommunalen Selbstverwaltung und der in der Verfassung von Berlin verankerten Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung zuwiderläuft, führt das zu einem Qualitäts- und Kompetenzverlust in der Verwaltung und somit letztlich zu einer Verlängerung und Dequalifizierung von Genehmigungsverfahren.
Eine weitere Konsequenz dieser angestrebten Zuständigkeitsverlagerung ist die zunehmende Bürgerferne der Vorgänge und Entscheidungsprozesse und damit eine Einschränkung der Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, die offensichtlich ohnehin mehr als Verfahrenshemmnis denn als Quelle für einen Qualitätsgewinn von Planungen betrachtet wird.
Artikel 66 der Verfassung von Berlin
(1) Die Verwaltung ist bürgernah im demokratischen und sozialen Geist nach der Verfassung und den Gesetzen zu führen.
(2) Die Bezirke erfüllen ihre Aufgaben nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung. Sie nehmen regelmäßig die örtlichen Verwaltungsaufgaben wahr.
III.6. systematische Schieflage des SBG
Bezeichnend für die systematische Schieflage des SBG und dieses Maßnahmepakets erscheint uns, dass mit der Maßnahme 2.62 der Fachaustausch mit den Akteuren des Wohnungsbaus verbessert werden soll, darunter aber nur die Zusammenarbeit der Verwaltung mit den Verbänden der Wohnungs- und der Bauwirtschaft verstanden wird.