Wahlprüfsteine 2021

01. August 2021 13:37

Im Juli 2021 haben wir an alle Parteien des Berliner Senats unsere Wahlprüfsteine geschickt, mit der Bitte, diese zu beantworten und uns als Wahlentscheidungshilfe zur Verfügung zu stellen.

 

WOFÜR WIR STEHEN

Berlin benötigt dringend bezahlbaren Wohnraum. Doch statt nachhaltig zu planen, wird derzeit nachverdichtet und versiegelt, wo bisher Grünoasen Frischluft für die Großstadt erzeugen und das Stadtklima sichern. Die zunehmende Versiegelung verschärft die negativen Auswirkungen des Klimawandels, sorgt für rasant steigende Temperaturen in der Stadt und bedroht die Gesundheit der Bevölkerung .

Bestehende Siedlungen und Wohnanlagen sind mit sinnvoller, bedarfsgerechter Infrastruktur (z.B. Kitas, Schulen,
Sport- und Spielplätzen) und umliegenden Grün- und Sozialflächen geplant worden. Statt Nachverdichtung und Versiegelung benötigt Berlin eine nachhaltige Stadtentwicklung, bei der Stadtquartiere und Grün- und Sozialflächen unter Berücksichtigung des Klimawandels und der Pandemie geplant werden, Frischluftschneisen in alle Kieze gelegt und Flächen für weitere Stadtbäume entsiegelt werden.

Unser parteiunabhängiges “Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung” besteht aus derzeit 17 Initiativen. In
stadtentwicklungspolitischen Diskursen vertreten wir die Stimme der BewohnerInnen und
MieterInnen. Gemeinsam setzen wir uns ein für eine klimagerechte, nachhaltige und soziale Stadtentwicklung, insbesondere für den Erhalt von Grün- und Sozialflächen, den Schutz Berliner Bäume, für gesunde Lebensbedingungen, eine bedarfsgerechte Infrastruktur, Artenvielfalt, Entsiegelung, Umbau statt Abriss und echte Bürgerbeteiligung bei allen Projekten. Zur Erreichung dieser Ziele fordern wir die notwendigen Änderungen der Berliner Bau- und Planungsvorschriften, ebenso wie eine konsequente Steuerung seitens der Bezirke vor Ort.

 

UNSERE FRAGEN

Mit unseren Wahlprüfsteinen zur Berliner Abgeordnetenhauswahl 2021 möchten wir die parteipolitischen Einstellungen zu unseren Themenschwerpunkten in Erfahrung bringen und der Öffentlichkeit als Orientierungsmarke für Wahlentscheidungen zugänglich machen. Wir bitten um Rucksendung Ihrer Antworten als PDF oder Word-Datei bis zum 8. August 2021 an das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung unter folgender E-Mail-Adresse: team{ät}nachhaltigestadtentwicklung.berlin

 

KLIMAFREUNDLICHE STADTENTWICKLUNG

Berlins Stadtentwicklung steht auch aufgrund des jüngst gefassten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zur Nachbesserung im Klimaschutz vor großen Herausforderungen. Planung und Vollzug müssen so angepasst werden, dass sie ihren definierten Beitrag zum Erreichen des Klimaziels leisten.

  1. Welche Lehren ziehen Sie für die Berliner Stadtentwicklungspolitik aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts?

  2. Sehen Sie die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung in Berlin als einen Schwerpunkt Ihrer politischen Tätigkeit in der nächsten Legislaturperiode an?

  3. Falls ja: Welche Vorhaben planen Sie?

 

VERSORGUNG MIT GRÜNINFRASTRUKTUR

In Zeiten des Klimawandels ist eine umfangreiche wohnungsnahe Grünversorgung für alle StadtbewohnerInnen unersetzlich (Klimafolgenmonitoring Berlin, Sachstandsbericht 2016, S. 25).

In den vergangenen Jahren wurde die erforderliche Versorgung mit Grüninfrastruktur jedoch stiefkindlich behandelt, während Neubauzahlen stark im Fokus der Berliner Politik, Verwaltung und der Öffentlichkeit standen. Auch in Bereichen mit festgestellter Unterversorgung an wohnungsnahen Grünflächen wird durch eine überwiegende Genehmigungspraxis nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) – einfaches Baugenehmigungsverfahren – unkontrollierte Nachverdichtung bewilligt, ohne dass parallel die erforderliche Grünentwicklung geschieht.

Die Grünplanung darf nicht länger der Bauplanung untergeordnet bleiben.

  1. Wird sich Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode für den Erhalt und eine verbesserte Pflege von Grünflächen einsetzen? Welche Handlungsschwerpunkte werden Sie verfolgen?

  2. Verfolgt Ihre Partei das Ziel, die Versorgung mit wohnungsnahem Grün in Berlin – auch quantitativ – zu verbessern? Welche Lösungsansätze sehen Sie, um Unterversorgung entgegenzuwirken?

  3. Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass je Verwaltungsbezirk analog zu sogenannten Schulentwicklungsplänen auch „Grünversorgungsentwicklungspläne“ eingeführt werden?

  4. Wie kann ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den erforderlichen Grün- und Bauflächen sichergestellt werden?

  5. Wie stehen Sie zur Realisierung von Bauvorhaben in Planungsgebieten mit quantitativer Unterversorgung an (öffentlichen) Grünflächen? Sollten Bauvorhaben in solchen Gebieten reglementiert oder untersagt werden können? Welche (gesetzgeberischen) Lösungsansätze sehen Sie in Berlin und werden Sie sich dafür einsetzen?

 

BAUMSCHUTZ

Die Berliner Bäume sind zunehmend in Gefahr. Sie leiden unter schlechten Standortbedingungen und der anhaltenden Trockenheit. Bei Bauvorhaben haben die Naturschutzbehörden kaum Möglichkeiten, sich für den Erhalt wertvoller Bäume einzusetzen. Nur unwesentlich störende Bäume können überhaupt geschützt werden, alle anderen Fällungen müssen genehmigt werden. In der Folge nimmt der Baumbestand in der Stadt seit Jahren ab, womit zugleich die Zerstörung des Lebensraums für Insekten, Vögel und andere Tiere voranschreitet.

  1. Wird Ihre Partei sich in der nächsten Legistaturperiode für den Erhalt und für eine verbesserte Pflege der Berliner Stadtbäume einsetzen? Falls ja: Welche Handlungsschwerpunkte werden Sie verfolgen?

  2. Wie stehen Sie zu einer Reform der Berliner Baumschutzverordnung (BaumSchVO) dahingehend dass

    • die Ausnahmetatbestände (§ 5 BaumSchVO) zugunsten des Baumschutzes auf ein Minimum eingeschränkt werden – insbesondere bei Bautätigkeit oder geplanter Versiegelung von Grundstücksflächen?
    • eine Verpflichtung für Eigentümer und Nutzungsberechtigte aufgenommen wird zur weitestmöglichen Anpassung geplanter Bauvorhaben mit dem Ziel des Erhalts bestehenden Baumbestands?
    • die Fällung von Bäumen nur noch als „letztes Mittel“ genehmigt werden darf?
    • bei Fällungen die Ersatzpflanzung als Regelfall des ökologischen Ausgleichs definiert wird und die Zahlung einer Ausgleichsabgabe nur noch im begründeten Ausnahmefall möglich ist? (Bislang handelt es sich nach § 6 Abs. 1 BaumSchVO Berlin um zwei gleichwertige Alternativen, zwischen denen der Antragssteller einer Baumfällung wählen darf.)
    • Ersatzpflanzungen baufeldnah (Umkreis von 500 m) erfolgen müssen?
    • die Möglichkeiten von Ersatzpflanzungen auf öffentlichen Flächen zusätzlich gestärkt werden?
    • im Rahmen von Ersatzpflanzungen stets mindestens dieselbe Zahl von Bäumen nachzupflanzen ist, wie gefällt wurde?
  3. Wird sich Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, dass bei Bauvorhaben von Beginn an (im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nach § 34 BauGB genauso wie bei Aufstellung von B-Plänen) die notwendigen Baumaßnahmen-Nebenflächen (Fahrwege, Aufstellung von Bauinfrastruktur) unter Gesichtspunkten des Baum- und Naturschutzes berücksichtigt werden müssen? Falls ja: Werden Sie sich für eine Gesetzesinitiative zur Verhinderung daraus resultierender Naturschäden einsetzen?
  4. Für die Realisierung einer nachhaltigen Stadtentwicklung in Berlin muss die Rolle der für den Natur-, Baum- und Klimaschutz zuständigen Gremien und Fachämter gegenüber den Baubehörden gestärkt werden. Werden Sie sich dafür einsetzen? Welche Möglichkeiten sehen Sie?

BAUWESEN/RESSOURCENSCHONUNG

Das Bauwesen verursacht lt. Umweltbundesamt mit rund 215 Mio. t jährlich den größten Abfallstrom in Deutschland und verantwortet mehr als die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens. Nur 7 % dieses Abfalls werden in Gebäuden recycliert. Der Rest wird im Straßenbau als Schotter verwendet oder deponiert, was jährlich ca. 100 Mio. km Lkw-Fahrten verursacht. Selbst scheinbar unendliche Ressourcen wie Sand (am Meer) werden bereits so knapp, dass sie zunehmend durch kriminelle Strukturen illegal abgebaut werden. Für eine Branche mit ca. 870.000 Beschäftigten, die ca. 5,6 % zum BIP beiträgt, sind das beschämende Fakten (Angaben aus DBT Drs. 19/23152).

Am 10. Dezember 2019 hat der Berliner Senat auf Vorlage von Klimaschutzsenatorin Regine Günther als erstes Bundesland die Klimanotlage anerkannt. Berlin verfolgt eine Zero-waste-Strategie und fordert in der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) eine Lebenszyklusbetrachtung.
Dennoch werden auch in Berlin unverändert zahlreiche Bauten abgerissen, die oftmals nur wenige Jahrzehnte alt sind. Aktuell soll z.B. nach dem Willen der Senatsverwaltung für Inneres und Sport in Berlin das erst 1987 errichtete Cantian-Stadion abgerissen werden. An der Stelle eines bestehenden Stadions mit 20.000 Sitzplätzen soll ein Stadion-Neubau mit ebenfalls 20.000 Sitzplätzen errichtet werden.

Ein zukunftsweisendes Gegenbeispiel stellt die diesjährige Vergabe des international renommierten Pritzer-Preises an das französische Architekturbüro Lacaton Vassal dar. Dieses Büro ist v.a. für seine minimal-invasiven, bestandserhaltenden Um- und Weiterbauten weltbekannt. Diese Auszeichnung zeigt einen deutlichen Paradigmenwechsel auf, wie er auch im Manifest „Das Haus der Erde“ des Bundes Deutscher Architekten zum Ausdruck kommt.

  1. Wie beurteilen Sie ein Vorhaben, bei dem ein Neubau gleicher Kapazität und Funktion einen noch jungen Bestandsbau ersetzen soll, aus dem alleinigen Grund von gestiegenen Anforderungen des Deutschen FußballBundes an Profi-Stadien?

  2. Sehen Sie die Notwendigkeit stärkerer Ressourcenschonung im Berliner Bauwesen? Falls ja, mit welchen Instrumenten wollen Sie diese umsetzen?

  3. Wie kann, Ihrer Meinung nach, dem Erhalt bestehender Bausubstanz besser Rechnung getragen werden? Wie werden Sie sich dafür einsetzen?

  4. Momentan werden Bedarfsprogramme unabhängig von den vorhandenen Bestandsbauten entwickelt. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass künftig zunächst die Potentiale des Um- und Weiterbaus festgestellt und die Bedarfsplanungen daran angepasst werden? Falls ja: Mit welchen Instrumenten wollen Sie das erreichen?

  5. 2014 wurde dem Abgeordnetenhaus von Berlin eine im Auftrag von SenIDS mit Beteiligung von SenSW erstellte Machbarkeitsstudie zum Jahn-Sportpark vorgelegt, in der die Möglichkeiten eines Umbaus nicht einmal geprüft wurden. Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass ressourcenschonendes Weiterbauen bei künftigen Projekten zwingend als Option geprüft werden muss? Falls ja: Mit welchen Instrumenten?

  6. In der Vergangenheit hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen häufig Aufträge anderer Ressorts im Sinne einer reinen Baudienststelle bearbeitet. Wir sind der Meinung, dass dies zu kurz greift und von einer Senatsverwaltung mehr erwartet werden muss: Als Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat die Behörde bei jedem Projekt grundsätzlich alle relevanten Aspekte der Stadtentwicklung zu betrachten. Diese Expertise kann von den bestellenden Ressorts nicht erwartet werden. Umso wichtiger ist es, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sich dieser Verantwortung bewusst ist und die Aufgabe annimmt. Teilen Sie diese Auffassung? Wenn ja: Werden Sie sich dafür einsetzen und mit welchen Mitteln?

 

NACHVERDICHTUNG/MIKROKLIMA

Nahezu alle in Berlin laufenden bzw. geplanten Baumaßnahmen zur Verdichtung von bestehenden Wohnkomplexen und -gebieten gehen einher mit einer massiven Reduzierung von Grün- und Freiflächen und sogar Spielplätzen sowie der Vernichtung von wertvollem altem Baumbestand.

Die Anzahl der tropischen Nächte in Berlin hat sich laut Statistik in den letzten 10 Jahren vervierfacht. Viele ehemals bestehende Luftschneisen laut Klimaatlas Berlin 2015 sind zwischenzeitlich durch Neubauten schon zerstört bzw. werden zerstört. Nachverdichtungsvorhaben wirken sich negativ auf das Mikroklima vor Ort sowie auf das gesamte Klima in Berlin aus und erhöhen die bioklimatischen Belastungen der BewohnerInnen.

Unserer Meinung nach darf Stadtentwicklung in Zeiten des Klimawandels nicht mehr nach dem unreflektierten Schema „Bauen! Bauen! Bauen!“ betrieben werden. Auch in der Wohnungspolitik müssen zukunftsfähige Konzepte wie beispielsweise die Aktivierung von Leerständen durch Gebäudeumnutzungen (Büros, Fabriken, Shoppingcenter) bei gleichzeitiger Herstellung zusätzlicher Grünanlagen und dem Schutz vorhandener Grünflächen umgesetzt werden.

  1. Setzt sich Ihre Partei für eine Abkehr vom Dogma der baulichen Verdichtung im Rahmen der Innenentwicklung ein?
  2. Wird sich Ihre Partei gegen die Verdichtung und für den Erhalt von Bäumen, grünen Freiflächen und Spielflächen in bestehenden Wohnquartieren einsetzen? Wenn ja, wie/ mit welchen konkreten Instrumenten?

 

GESUNDHEIT

„Städte sind im Vergleich zum Umland oft stärker belastet durch Überwärmung, hohe Konzentration von Feinstaub und anderen Luftschadstoffen sowie durch Lärm. […] Der Klimawandel wird diese Belastungen erheblich verstärken. […] Solche Belastungsfaktoren führen […] zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und zu erhöhten Krankheits- und Sterblichkeitsraten. […] Über ihre regulierenden Ökosystemleistungen hilft die Stadtnatur, die geschilderten Belastungen zu reduzieren. So binden Bäume und andere Vegetationselemente Feinstoff und weitere Luftschadstoffe […] und mindern über Beschattung und Verdunstungskühle die Hitzebelastung.“ (S. 25) „Stadtnatur vermindert nicht nur Umweltbelastungen, sondern begünstigt auch unmittelbar die physische und psychische Gesundheit der Menschen.“ (S. 26) (https://www.ufz.de/export/data/global/190506_TEEB_DE_Broschuere_KF_Bericht3_Stadt_BF.pdf)

Das vergangene Jahr war in Berlin das heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Etwa 490 Menschen sind 2020 an den Folgen der großen Hitzewelle in Berlin gestorben. Das geht aus Berechnungen des Robert-Koch-Instituts hervor. „Als Folge des Klimawandels treten in Deutschland seit etwa der Jahrtausendwende Hitzewellen in einer ungewöhnlichen Häufigkeit auf“, schreibt das Institut in seinem Bericht. „Starke und/oder längere Hitzewellen führen dabei regelmäßig zu einer erhöhten Mortalität, besonders in den älteren Altersgruppen.“ (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2019/Ausgaben/23_19.pdf?__blob=publicationFile)

Dringender Handlungsbedarf liegt damit auf der Hand. Bereits 2011 arbeitete der Stadtentwicklungsplan Klima die Anpassung Berlins an die Folgen des Klimawandels als zentrale Aufgabe der Stadtentwicklung heraus. (https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtentwicklungsplanung/download/klima/step_klima_broschuere.pdf , S. 24 f. )

  1. Wird sich Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode für eine gesundheitsfördernde Klimaresilienz Berlins einsetzen? Wenn ja: Welche Werkzeuge/Maßnahmen werden Sie ergreifen?

  2. Grüne Gemeinschaftsflächen sind Orte der Begegnung von Jung und Alt. Sie wirken der zunehmenden Vereinsamung und Isolation in unserer Gesellschaft entgegen. Sie dienen nicht nur dem Erhalt der psychischen und körperlichen Gesundheit der BürgerInnen, sondern sind auch für das Gemeinwohl und den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft von essentieller Bedeutung. In der Corona-Pandemie ist die Notwenigkeit grüner Sozialflächen noch deutlicher geworden. Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass Gemeinschaftsflächen geschützt und als solche weiterentwickelt werden? Wenn ja: Wie?

  3. Wie eingangs beschrieben, verringert sich der Baumbestand Berlins seit Jahren drastisch. Das Fehlen beschatteter Orte geht mit einem deutlich gestiegenen Hautkrebsrisiko einher. Durch die Abnahme schattiger Spielplätze und -flächen wird die ohnehin hoch gefährdete Gruppe der Kinder besonders stark belastet. Wie wollen Sie sich dafür einsetzen, dass Stadtentwicklung dieser gesundheitlichen Gefährdung entgegenwirkt?

  4. Spezielle Notfallpläne für Gesundheitsprobleme durch große, langandauernde Hitze wurden unter anderem in Spanien, den Niederlanden und Frankreich aktiviert. In Deutschland sind Notfallpläne zur Versorgung hitzegeschädigter Menschen in Großstädten bisher nicht vorhanden. Die Feuerwehr hat aufgrund dessen im August des letzten Jahres erstmalig den Notstand in Berlin ausgerufen. Werden Sie sich für berlinweite Hitze-Notfallpläne einsetzen? Wenn ja: Wie können diese aussehen?

 

BÜRGERINNENBETEILIGUNG

Die grundlegende Verbesserung der Beteiligung der BürgerInnen an der Stadtentwicklung ist für die Politik eine große Aufgabe. Es bedarf hier zusätzlicher landesrechtlicher Regelungen, um die Interessen und den Sachverstand von Planungsbetroffenen in alle relevanten Bau- und Planungsprozesse einzubeziehen. Beispielsweise muss endlich auch im Baugenehmigungsverfahren eine verbindliche BürgerInnenbeteiligung eingeführt werden. In den Bauplanungsverfahren muss aus der bestehenden Mitwirkung die Mitbestimmung von BürgerInnen werden.

  1. Werden Sie sich dafür einsetzen, aus Planungsbetroffenen mitplanende und mitentscheidende BürgerInnen zu machen? Wenn ja: Wie?

  2. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die BürgerInnenbeteiligung für Bauträger keine Empfehlung bleibt, sondern eine verbindliche, zu kontrollierende Verpflichtung wird? Wenn ja: Wie?

 

BAURECHT/FLÄCHENPLANUNG

Der Flächennutzungsplan (FNP) 2015, also die vorbereitende Bauleitplanung, der Stadtentwicklungsplan Wohnen (StEP) 2030 und die Bauordnung für Berlin (BauO Bln) sind die Grundlagen aller Arten des Planens und Genehmigens von Verdichtungen. Die neuen Anforderungen an die Stadtentwicklung, die sich aus Klimawandel und Pandemie ergeben, müssen schnellstmöglich in die einschlägigen Gesetze und Planungsgrundlagen aufgenommen werden. In den Fokus gehören eine weniger verdichtete Bauweise und die Berücksichtigung des gestiegenen Bedarfs an Grün- und Sozialflächen.

  1. Wie kann hier die Politik nachhaltige und bedarfsgerechte Änderungen herbeiführen? Wird sich ihre Partei für Änderungen im o. g. Sinne einsetzen?

  2. Mit welchen Instrumenten werden Sie zukünftig ein nachhaltiges und klimagerechtes Bauen und Nachverdichten steuern und kontrollieren? Welche Möglichkeiten sehen Sie im Rahmen des einfachen Baugenehmigungsverfahrens (§ 34 BauGB; unbeplanter Innenbereich)?

  3. Setzen Sie sich die weitere Entsiegelung von Flächen in Berlin zum Ziel? Falls ja: Planen Sie während der nächsten Legislaturperiode ein konkretes Entsiegelungskonzept?

  4. Durch Änderung der Berliner Bauordnung wurden 2006 die Gebäudemindestabstände um ca. 60% gegenüber der vorher gültigen Fassung reduziert. Erst hierdurch sind viele Nachverdichtungsvorhaben und Neubaukomplexe überhaupt möglich. Im Angesicht des Klimawandels und der einschränkenden 19 Maßnahmen zur Pandemieeindämmung sind solch enge Gebäudeabstände inakzeptabel. Deshalb fordern wir die politisch Verantwortlichen auf, die vor 2006 in der Bauordnung bestehenden Abstandsregeln erneut in Kraft zu setzen. Wie stehen Sie zu dieser Forderung? Würden Sie die Gesetzesinitiative ergreifen?

  5. Wo sieht Ihre Partei im Neubau die räumlichen Schwerpunkte in Berlin – auch im Hinblick auf soziale Infrastruktur, Verkehrsanbindung und Nahversorgung? Steht Ihre Partei gegen bestimmte Vorhaben?

  6. Im Ostteil Berlins fehlt es aufgrund einer anderen Baurechtslage in der früheren DDR an verbindlicher Bauleitplanung. Daraus ergibt sich, dass vor allem im Ostteil der Stadt eine massive, Enge erzeugende und Grünflächen zerstörende Verdichtung nach §34 BauGB erfolgt – ohne verpflichtende Berücksichtigung der 20 Infrastruktur und ohne verpflichtende Bürgerbeteiligung. Dies wird von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ausdrücklich unterstützt. Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass die „Wild Ost“-Bebauung nach §34 BauGB ein Ende hat? Wenn ja: wie?

 

SOZIAL GERECHTE STADTENTWICKLUNG

  1. Für welche Maßnahmen zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum wird sich Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode einsetzen?

  2. In Barcelona gilt eine neue Regelung, um das Problem des Leerstands in der Stadt zu bekämpfen. Die Regelung zwingt Vermieter, ihre leerstehenden Objekte innerhalb eines Monats zu vermieten. Andernfalls gehen sie in den Besitz der Stadt über, die nur die Hälfte des Marktpreises der Immobilien als Entschädigung an die Besitzer zahlt. Hierdurch soll die Wohnungsnot reduziert werden, unter der viele einkommensschwache BewohnerInnen leiden. Wird sich Ihre Partei für diese oder eine ähnliche Maßnahme in Berlin einsetzen, um Wohnungen, die wegen Immobilienspekulation leer stehen, dem Wohnungsmarkt zu günstigen Mieten zur Verfügung zu stellen?

  3. Welche Lösungsansätze sehen Sie, um Immobilienspekulation mit Wohngebäuden und Bodenspekulation mit brach liegenden Bauflächen einzudämmen?

  4. Welche anderen Maßnahmen (außer Neubau) für eine sozial gerechte Stadtentwicklung planen Sie?
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