Jahnsportpark: Artenschutz ignoriert – Abriss gestoppt

06. Oktober 2024 09:29

Spatz beim Jahnsportpark

Berlin, den 6. Oktober 2024

Gemeinsame Pressemitteilung der NaturFreunde Berlin e.V. und der BI Jahnsportpark zum geplanten Abriss des Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadions Jahnsportpark:

Artenschutz ignoriert – Abriss gestoppt

Der Umweltverband NaturFreunde Berlin wird einen Eilantrag an das Berliner Verwaltungsgericht stellen, um Abrissarbeiten am Stadion zu stoppen, bis der Artenschutz im Jahn-Sportpark ausreichend berücksichtigt worden ist. Die Bürgerinitiative Jahnsportpark schließt sich dieser Initiative an.

Seit 2020 liegt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein von ihr selbst beauftragtes Artenschutz-Gutachten für den Jahn-Sportpark vor. Seit vier Jahren muss ihr daher die hohe Bedeutung sowohl der Gebäude als auch der angrenzenden Bestandsbäume und -büsche für europarechtlich geschützte Vogelarten und Fledermäuse bekannt sein. Erfasst wurden nämlich bis zu 25 Brutvogel- und neun von 16 der in Berlin vorkommenden Fledermausarten.

Im Zuge des geplanten Stadionabrisses kommt es zum Verlust einer hohen Anzahl von Brutplätzen am Stadion, an der Westtribüne und den Nebengebäuden. 4.100 qm artenschutzrelevante Grünflächen sollen versiegelt und für den Stadionneubau ca. 50 Bäume gefällt werden. Trotz des für den 07.10.2024 anvisierten Baubeginns fehlen derzeit > 359 Nisthöhlen und Quartiere für Vögel und Fledermäuse, die laut Artenschutzrechtlichem Fachbeitrag vom Juli 2024 „bis spätestens 28.02. diesen Jahres“ vorgezogen als Ausgleichs-Maßnahmen zu realisieren waren.

Dabei handelt es sich um sogenannte CEF-Maßnahmen (continuous ecological functionalitymeasures, d.h. Maßnahmen zur dauerhaften Sicherung der ökologischen Funktion von Ruhe- und Fortpflanzungsstätten). „Die gesetzliche Grundlage in Deutschland ergibt sich aus § 44 Abs. 5 […] Bundesnaturschutzgesetz […]. Entscheidendes Kriterium für die Wirksamkeit solcher Maßnahmen ist, dass sie vor einem Eingriff in direkter funktionaler Beziehung durchgeführt werden. Eine ökologisch-funktionale Kontinuität soll ohne zeitliche Lücke gewährleistet werden. Es handelt sich um eine zeitlich vorgezogene Ausgleichsmaßnahme.“1

Die BI Jahnsportpark kann nicht nachvollziehen, weshalb die Senatsverwaltung – übrigens entgegen der Aussage des Bausenators Gaebler im Sportausschuss am 13.09.20242 – in all den Jahren ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Es wurden weder wirksame Artenschutzmaßnahmen zum Erhalt von Höhlenbrütern und Fledermäusen getroffen noch entsprechende Ausnahmegenehmigungen eingeholt, obwohl ein von der Senatsverwaltung selbst beauftragtes Gutachten dies als erforderlich ansieht.

Der Umweltverband NaturFreunde Berlin wird daher einen Eilantrag an das Berliner Verwaltungsgericht stellen, um Abrissarbeiten am Stadion zu stoppen, bis der Artenschutz ausreichend berücksichtigt worden ist.

Die NaturFreunde kritisieren, dass seit mehr als vier Jahren die artenschutzrechtlichen und fachlichen Erfordernisse, wie das Aufstellen von Sperlingstürmen und Anbringen von Fledermausquartieren hinreichend bekannt sind, die zuständige Senatsverwaltung aber in all der Zeit nicht fähig oder willens gewesen sei, die gesetzlich vorgeschriebenen Vermeidungsmaßnahmen für den Artenschutz zu treffen.

Rechtzeitige Ausgleichsmaßnahmen und Nachpflanzungen sind die Voraussetzung, um Berlins Artenvielfalt im Zuge der flächigen baulichen Umgestaltungen zu erhalten. Hierzu hat Berlin sogar eine eigene Verpflichtung abgegeben.3 Die Bürgerinitiative Jahnsportpark und der Verband betonen, dass sie sich nicht generell gegen eine Bebauung wenden und schon gar nicht gegen die berechtigten Belange der Inklusion bzw. des Inklusionssports. Sie fordern jedoch ein rechtskonformes Prüf- und Genehmigungsverfahren, in dem die Belange der Anwohner*innen sowie die von Natur- und Umweltschutz ausreichend berücksichtigt werden. Das ist nichts weiter als die Einhaltung geltenden Rechts – eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Zitate:

„Wir verstehen nicht, wenn am Ende dann wieder Kreuzkröte, Zauneidechse oder dem Spatz die Schuld daran gegeben wird, dass sich das Bauen verteuert, wenn wie beim Jahn-Sportpark die Kosten in die Höhe schießen, obwohl nicht einmal relativ einfache Artenschutz-Maßnahmen umgesetzt wurden.“ Uwe Hiksch, NaturFreunde Berlin

„Wir haben im Werkstattverfahren immer wieder auf die hohe Bedeutung des Jahn-Sportparks für die Biologische Vielfalt hingewiesen. Bei artenschutzfachlichen Genehmigungsverfahren ist ein Umsteuern erforderlich. Rechtskonflikte können vermieden werden, wenn die erforderlichen Artenschutzmaßnahmen zeitig mitgedacht und umgesetzt werden.“ Caroline Seige, AG Artenschutz NaturFreunde

„Der von der Senatsverwaltung durch geboxte Stadion-Neubau kommt erneut aus dem Tritt und ist geprägt von Pleiten, Pech und Pannen. Es ist Zeit, dass der von SPD und CDU geführte Senat eingesteht, dass sein Leuchtturm-Projekt gescheitert ist. Das Projekt war schon vorher ein Raubzug auf Kosten der Steuerzahler, aber in Zeiten leerer Kassen ist das Projekt nicht mehr vermittelbar.“ Alexander Puell, Bürgerinitiative Jahnsportpark

„Durch die Nichtbeachtung des geltenden Rechts wurde dem Projekt ein Bärendienst erwiesen.“ Aleksandra Kwasnik, Bürgerinitiative Jahnsportpark

„Schon mit der ersten Machbarkeitsstudie war dieses überdimensionierte Projekt von einem brachialen Durchsetzungswillen geprägt, der hier leider erneut zum Vorschein kommt. Inklusiv finde ich das nicht. Philipp Dittrich, Bürgerinitiative Jahnsportpark

Ansprechpartner: Uwe Hiksch, NaturFreunde Berlin, Tel.: 0176-62015902, E-Mail: hiksch@naturfreunde.de

Philipp Dittrich, BI Jahnsportpark, E-Mail: info@jahnsportpark.de V.i.S.d.P.: BI Jahnsportpark, www.jahnsportpark.de

1) https://de.wikipedia.org/wiki/CEF-Ma%C3%9Fnahme; Kürzungen und Hervorhebungen BI Jahnsportpark.

2) „Und jetzt das Thema Naturschutz wieder zu nehmen, zu sagen: „Huuh, haben Sie denn an Artenschutz gedacht?“ – Ja, unsere Bauleute sind nicht doof. Die kennen die Gesetze und setzen sie auch um. Und das haben wir alles eingehalten und da wir jetzt nicht in der Brutperiode sind, wenn wir abreißen, müssen die Ersatzhabitate bis zur Brutperiode hergestellt sein. Das ist alles so vereinbart und das wird auch gemacht.“ Diese von Senator Gaebler im Sportausschuss am 13.09.2024 getätigte Aussage offenbart die völlige Unkenntnis des Charakters von CEF-Maßnahmen als vorgezogene, nicht nachgelagerte Ausgleichsmaßnahmen.

3) Berliner Strategie zur Biologischen Vielfalt, Beschluss des SenBerliner Strategie zur Biologischen Vielfalt, Beschluss des Senats von Berlin vom 13. März 2012

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zur originalen PM vom JahnSportPark

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